Weidenstetter stand schon eine halbe Stunde am Fenster, als Schaden endlich kam. Der alte Freund fuhr jetzt einen BMW, nicht zu groß, aber neu. Vermutlich eine Folge der vielen Jahre, die Schaden jetzt schon in München lebte.
Die Frage, ob er Schaden wiedergesehen hätte, wäre das Internet nicht erfunden worden, hatte Weidenstetter noch nicht beantwortet. Im Augenblick spielte das auch keine Rolle. Im Augenblick ging es um die Begrüßung. Den ersten Handschlag. Den ersten Augenblick.
„Was für ein fantastisches Anwesen“, sagte Schaden, blieb stehen und schaute das Gebäude an. „Imposant, die alten Natursteinmauern.“
„Die Randau-Mühle“, erklärte Weidenstetter mit den Worten, die er sich während der Wartezeit zurechtgelegt hatte. „Ich habe sie gekauft, kurz, nachdem ich den Ruf nach Bonn erhielt. Eigentlich war das Gebäude nur noch eine Ruine, zehn Jahre lang habe ich sie Stück für Stück wieder aufgebaut.“
Über die Formulierung mit dem Wiederaufbauen hatte Weidenstetter länger nachgedacht. Er war handwerklich nie besonders geschickt gewesen, tatsächlich hatte er über zehn Jahre, je nach seinen finanziellen Möglichkeiten, diversen Handwerkern das Gebäude überlassen, Bauabschnitt für Bauabschnitt. Eigentlich hätte er also sagen müssen: Zehn Jahre lang habe ich das Gebäude Stück für Stück wieder aufbauen lassen. Das klang nun wiederum überheblich, das klang nach dem Herrn Professor, der sich die Hände nicht schmutzig machte, der für alles seine Leute hatte.
„Ein fantastisches Anwesen“, wiederholte Schaden. „Aber ziemlich abgelegen. Das Dorf ist einen Kilometer von hier, und es ist nicht groß. Wie weit ist es bis zur nächsten Stadt?“
„Gut zehn Minuten mit dem Auto, das ist kein Problem“, sagte Weidenstetter, wie immer, wenn ihn jemand auf seinen Einsiedlerdasein ansprach. „Und in einer halben Stunde bin ich in Bonn und in weniger als einer Stunde in Köln. Eine ideale Wohnlage.“
Schaden blickte skeptisch. „Und den ganzen großen Kasten hast du für dich allein?“
Weidenstetter verzog das Gesicht. Für diese Frage gab es keine vorbereitete Antwort. „Das“, sagte er, „war ursprünglich mal anders geplant. Aber ich fühle mich hier sehr wohl. Und ich kann den Platz gut gebrauchen.“
Schaden lachte. „Kann ich mir denken“, sagte er. „Alles voller Bücher, stimmt‘s?“