Weidenstetter saß in dem Keller. Auf dem Eichentisch vor ihm flackerte eine dicke Kerze in einem Glas und ließ die Schatten an den unregelmäßigen Wänden tanzen. Die Flasche war eine von den kostbaren: ein Bordeaux, den er selbst aus Frankreich mitgebracht hatte, von einem kleinen, feinen Weinbaubetrieb mit ökologischem Anbau. Eine Flasche, die er immer wieder für einen besonderen Anlass aufgehoben hatte, der dann doch nie gekommen war. Dies war ein besonderer Anlass. Dies war der erste Wein, den er in seinem geheimen Keller trank. Im Kerzenschein leuchtete das Rot im Glas besonders kräftig und spiegelte sich matt an der Decke. Es roch nach heißem Wachs, Holz und etwas feucht. Ein guter Raum. Ein Raum zum Denken.
Vor ihm auf dem Tisch lag ein neues Notizbuch, mit hochwertigem Papier, in schwarzes Texon eingebunden, von einer umlaufenden Metallkante geschützt. Auch ein gutes Stück. Sein alter Füller, mit königsblauer Tinte frisch betankt, lag daneben. Er hatte vorgehabt, seine Gedanken zu notieren, aber die hatte der Wein offenbar zu leicht werden lassen. Er würde heute nichts aufschreiben.
Dann griff er doch zum Stift, schraubte die Kappe ab und öffnete das Heft. „Schaden einladen“, notierte er und schraubte den Füller wieder zu.