„Weißt du“, sagte Weidenstetter, hob das Glas und ließ den Rotwein kreisen, „ich arbeite an der Uni. Klar. Aber eigentlich bin ich gar nicht mehr richtig dort. Ich habe mich noch nicht einmal daran gewöhnt, dass die Studenten keine Scheine mehr bekommen, sondern Credit-Points. Manchmal sage ich Vordiplom, wenn ich die Prüfung zum Bachelor meine. Ich weiß, dass meine Kollegen, die Juniorprofessoren voran, meine Vorlesungen und Seminare für vorsintflutlich halten. Forschungsarbeit mache ich schon lange nicht mehr, seit fünf Jahren schreibe ich an einem Buch zur Regionalgeographie der Eifel. Ich arbeite weiter daran, vermutlich, bis ich emeritiert werde. Nicht einmal die Studenten nehmen mich für voll. Ich bin ein Dinosaurier, den der Hochschulapparat halt noch durchfüttern muss, dem man die Lehramtsstudenten gibt, weil die ohnehin mehr an Sekttrinken als an Sonderforschungsbereiche denken. Niemand kommt in meine Sprechstunden, ich habe keine Doktoranden mehr, gerade noch eine studentische Hilfskraft.“
Kreisendes Rotweinglas, ein Schluck, kurzes Schweigen.
„Aber“, fuhr Weidenstetter dann fort, „ich habe mich auf meinem Abstellgleis gut eingerichtet. Ich muss nichts mehr erreichen und nichts mehr beweisen. Ich bekomme mehr Geld, als ich brauche, ich habe hier in der alten Mühle mein Heim und meine Burg und genug Bücher. Ich muss mich nicht abstrampeln, ich brauche keine Drittmittel, keine Auszeichnungen, keine Publikationsliste mehr. Ich bin einer der freisten und unabhängigsten Menschen, die es überhaupt gibt.“
„Ja“, sagte Schaden, „das hast du geschafft.“