Die Brücke verband zwei mit Buschwerk bestandene Böschungen. Wolfgang schätzte die Länge auf gut fünfzig Meter, die Höhe auf etwa zwanzig Meter. Das Geländer war aus Metall, mit einer flachen Oberseite, die fast so breit war wie Wolfgangs Hand. Das war mit seinem Übungsbalken durchaus zu vergleichen, das Geländer war allerdings viel glatter. Jetzt, nach dem langen Regen, glänzten Tropfen und Wasserlachen darauf. Die Länge war eigentlich kein Problem. Fünfzig Meter hatte er auf seinem Übungsbalken schon mehrmals geschafft - einschließlich der erforderlichen Wenden. Die Breite beherrschte er auch. Aber zwanzig Meter und unten eine Autobahn - das war ernst! Natürlich, wenn er das Gleichgewicht verlieren sollte, brauchte er nur zur Bückenseite abzuspringen. Aber es blieb doch das entscheidende „wenn“. Wenn er fiel, und wenn er zur falschen Seite fiel - dann war alles aus. This is the end, my friend. Wolfgang ging die über die Brücke. Fuhren unten schwere Lastzüge vorbei, vibrierte der Asphalt leicht. Sollte er es jemals probieren, müsste es in der Nacht passieren. Im Hellen würden die Autofahrer ihn sofort entdecken, verschreckt die Spur verlieren oder wenigstens die Polizei anrufen. Wenn er es machte, dann im Dunklen, wenn die Fahrzeuge nur vorbeihuschende Lichter waren und er selbst ein Schatten im Schatten.