Unten Steine, darauf die Böcke, dann der Balken. Langsam bekam Wolfgang ein echtes Gefühl von Höhe. Sein Blick lag auf einer Ebene mit der Regenrinne des Hauses. Mit ausgebreiteten Armen geht es sich sicherer.
„Was machst du da?“
Maren stand in der Terrassentür. „Komm rauf und versuch es einmal“.
Wolfgang machte eine Kehrtwendung, balancierte zurück und sprang auf den Boden.
„Willst du jetzt Artist werden?“
„Es ist eher Psychologie“, sagte Wolfgang. Er hätte Maren gerne geküsst, aber sie wirkte abweisend. „Wenn der Balken auf dem Boden liegt, läufst du ohne Probleme darüber. Du schwankst nicht, du fällst nicht, es ist ganz einfach. Je höher der Balken über dem Boden schwebt, desto lauter schlagen unsere inneren Alarmsysteme an.“
„Akrophobie“, sagte Maren, „das ist nun wirklich keine ganz neue Entdeckung.“
Die Lust zu küssen war verflogen. Vermutlich versuchte Maren nicht einmal mehr, ihn zu verstehen.
„Es geht nicht um eine Phobie“, sagte er. „Ich bin schwindelfrei und kann ohne Probleme an der Kante eines steilen Abgrunds stehen. Trotzdem verändern sich meine Bewegungen. Es fühlt sich komplett anders an als auf dem Boden.“
„Ich fahre noch kurz zu Helen“, sagte Maren. „Vielleicht deckst du nachher den Abendbrottisch.“
Sie war schon fast im Wohnzimmer verschwunden, als sie sich noch einmal umdrehte und auf den Balken deutete.
„Du willst das da aber nicht stehen lassen, oder?“
Man konnte Gurte kaufen, die zwischen zwei Bäumen gespannt wurden und auf denen man dann balancieren konnte. Vielleicht sollte er sich so etwas anschaffen.