Wolfgang Brands kleines Glückskompendium, Teil zwei. Das Glück, zu sehen.
Jeder unserer Sinne hat seine Besonderheiten und Geheimnisse. Wolfgang wusste, auf welchen Sinn er nicht verzichten wollte, stünde er je vor der Wahl: Das Sehen war ihm am wichtigsten. Vielleicht, weil er nur die Augen schließen musste, um ihn auszuschalten. Das ging so leicht mit keiner anderen Wahrnehmung. Vielleicht, weil der Vorgang so komplex war. Lichtwellen, die von Oberflächen reflektiert werden, die je nach Eigenschaft manche Wellenlängen schlucken und andere abstrahlen und so ihre Farbe erzeugen. Wellen, die im Augen auf Stäbchen treffen und umgewandelt werden in Signale, die durch Nervenbahnen eilen und die im Gehirn zu unvorstellbar komplexen Verarbeitungsmechanismen führen, ohne dass wir etwas davon merken. Und in blitzartiger Geschwindigkeit sehen wir eine rote Ampel und halten an, erkennen ein bekanntes Gesicht und grüßen. Unglaubliche Prozesse laufen da ab, die uns ermöglichen, Schönheit wahrzunehmen und Unbekanntes zu bestaunen. Zu sehen, ist ein wahres Glück. Meistens.