„Ihre Frau“, sagte der Arzt und ließ mit dem Daumen die Mine seines Kugelschreibers in hoher Frequenz aus- und einfahren, „befindet sich zurzeit in ihrer eigenen Welt. Die Reize aus der Umwelt dringen nicht zu ihr durch. Sie merkt es nicht, wenn sie angesprochen wird. Sie spürt nicht einmal Berührungen. Kein Koma, wenn Sie das meinen. Es liegt keine Gehirnschädigung vor, kein Schlaganfall. Die Körperfunktionen sind völlig normal. Nur, sage ich mal, in einer Parallelwelt. Sie hört und sieht Dinge, die wir nicht hören und sehen. Dafür bekommt sie nicht mit, was wir sprechen.“
Wolfgang blickte zu Maren hinüber, die ruhig in ihrem Bett lag.
„Es ist daher sehr schwierig, ihr regelmäßig ausreichend Nahrung zuzuführen. Es kann sein, dass wir dazu gezwungen sein werden, sie künstlich zu ernähren.“
„Und wird sie ...“, begann Wolfgang. „Ich meine, kommt sie irgendwann wieder zurück?“
„Das ist es natürlich, woran wir arbeiten“, erwiderte der Arzt. „Aber das wird ein langer Prozess, es ist zu früh, hier irgendwelche Prognosen zu stellen.“
Wolfgang nickte. „Aber wie - wie kommt das?“
„Auch hier müssen wir weitere Untersuchungen abwarten“, dozierte der Mediziner und legte den Kugelschreiber entschlossen auf den Tisch. Ein Werbegeschenk der FDP, stellte Wolfgang überrascht fest. Aber warum überraschte ihn das?
„Häufig ist der Auslöser ein traumatisches Erlebnis. Aber dafür fehlen uns noch die Hinweise. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.“
Der Arzt drückte Wolfgang die Hand mit überraschender Kraft, mit einem Nicken als Gruß wandte er sich zum Gehen.
„Arme Maren“, sagte Wolfgang und beschloss, noch etwas bei ihr zu bleiben.