„Ich freue mich“, sagte Weidenstetter, als er die Flasche aus dem Regal zog. Er hatte einen guten, aber kein Spitzenwein ausgewählt. „Unsere gemeinsamen - ich nenne es mal so - Exerzitien bedeuten mir viel.“
„Ich komme gerne“, sagte Schaden. „Seit ich alleine bin, sind die Wochenenden leer geworden. Es tut gut, raus zu kommen, und ich mag unsere Gespräche hier unten.“ Er lacht. „Dafür nehme ich auch ein paar hundert Kilometer in Kauf.“
Weidenstetter entkorkte den Wein. „Wie kam es dazu, dass du alleine bist. Du warst doch auch verheiratet.“
Schaden nickte. „Das war eine schlimme Geschichte. Ein Unfall. Mit dem Fahrrad. Sie hatte einen Helm auf und ist nicht schnell gefahren. Das Auto auch nicht, es ist auf dem Parkplatz vor einem Supermarkt passiert. Das Auto hat sie nur gestreift, aber sie fiel so unglücklich auf den Kopf, dass sie an den Folgen der Verletzungen gestorben ist.“
Weidenstetter stockte in der Bewegung. „Wie schrecklich“, murmelte er.
„Ja, das war schrecklich.“
Sie schwiegen einen Augenblick, dann stellte Weidenstetter die beiden Gläser und die Flasche auf den Tisch und setzte sich. „Das tut mir sehr leid“, sagte er.
Schaden nickte.
„Weißt du“, sagte Weidenstetter, „Ich ich hatte auch einen Unfall. Mit dem Auto. Eine junge Frau ist mit ihrem Wagen auf die Gegenfahrbahn geraten, und dort fuhr ich. Es gab einen Zusammenstoß, ziemlich heftig, und sie prallte mit ihrem Auto gegen einen Baum. Mir ist nicht viel passiert, obwohl mein Auto ein Totalschaden war. Die Frau war aber schwer verletzt, es dauerte unglaublich lange, bis die Feuerwehr sie aus dem Wrack herausgeholt hatte. Sie liegt bis heute im Koma. Und was es besonders schlimm macht: Ich kannte sie. Sie war eine Studentin von mir.“
„Verflucht. Wie ist das passiert? Wollte die sich umbringen?“
„Die Polizei sagt, sie habe wohl eine SMS geschrieben. Während des Fahrens.“ „Diese unvernünftige Jugend. Riskiert ihr Leben und das der anderen, nur um online zu sein. Du hast Glück gehabt, dass dir nicht mehr passiert ist.“ „Ich besuche sie“, sagte Schaden. „Anfangs jede Woche, inzwischen nur noch einmal im Monat. Es ist seltsam, sie dort liegen zu sehen.“
„Du besuchst sie regelmäßig? Obwohl sie den Unfall fahrlässig verursacht hat?“
„Sie war nicht einmal eine besonders gute Studentin“, murmelte Weidenstetter und nahm den ersten Schluck Wein.