„Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich für Schmerzen habe“, sagte Maren und legte eine Hand auf ihren Bauch. „Schlimmer als Messerstiche!“
Wolfgang sah sie an. Natürlich tat sie ihm leid. Er bedauerte sie und wünschte ihr von Herzen, dass es ihr besser ginge. Trotzdem spürte er den Stachel Ihres Satzes. Sie setzte alles, was er je als Schmerz empfunden hatte, herab. Marens Satz behauptete, dass Wolfgangs Leid gar nichts war im Vergleich zu dem, was sie durchmachen musste. Dabei konnte sie das wirklich nicht wissen. Er maßte sich nicht an, über ihren Schmerz zu urteilen. Er dachte nie `jetzt reiß dich mal zusammen, das kann doch nicht so schlimm sein`. Er glaubte ihr. Aber Maren glaubte ihm nicht, sie bezweifelte, dass er je solche Schmerzen erlebt hatte wie sie. Mehr noch - sie war sich sogar sicher, dass er sich diese Torturen nicht einmal vorstellen konnte. Damit brachte Maren einen Abstand zwischen sie, den er ihn nicht mehr überbrücken konnte. Auf ihre Aussage gab es keine Antwort. Er konnte nicht sagen: Doch, ich glaube, ich kann mir das schon vorstellen. Diese Blinddarmentzündung war übel. Und nach dem Motorradunfall, als ich mit gebrochenem Arm auf der Straße saß und mir die Lederjacke ausziehen musste, weil die Schwellung immer stärker wurde. Doch, ich weiß, was schlimme Schmerzen sind. Dann hätte Maren sich nicht ernstgenommen gefühlt, dann hätte sie gedacht, er relativiere ihr Leiden. Ging nicht. Er konnte aber auch nicht sagen, dass sie recht habe, dass er sich so etwas nicht vorstellen könne. Er wusste ja nicht, was er sich hätte vorstellen müssen.
„Das tut mir leid“, sagte Wolfgang, sah noch einen Moment zu ihr herunter. „Du solltest zum Arzt gehen“, fügte er hinzu. Dann ging er in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen.
Woher wollte Maren eigentlich wissen, wie sich Messerstiche im Bauch anfühlen?