Was wäre im umgekehrten Fall, dachte Wolfgang. Wenn nicht er starb, sondern Maren. War das nicht sogar viel wahrscheinlicher? Ihre angeschlagene Gesundheit, ihre zeitweisen Konzentrationsschwächen, ihr labiler seelischer Zustand - waren das nicht viel eindeutigere Indikatoren für ein frühes Ende? Würde er um sie trauern? Plötzlich eine große Leere in seinem Leben spüren? Nun, er würde die praktische Seite hinbekommen. Er konnte die Waschmaschine bedienen und Hemden bügeln, er konnte kochen und wusste, wie die Fußböden sauber zu bekommen waren. An den Anforderungen des Alltags würde er nicht zugrunde gehen. Eher schon an Einsamkeit. Maren hatte die wenigen Kontakte zu Freunden und Bekannten aufrecht erhalten. Eigentlich gab es niemanden, den Wolfgang wirklich als Freund bezeichnen konnte. Es würde sehr still werden, in einem Leben ohne Maren. Allerdings war das eine Vorstellung, die Wolfgang nicht ausschließlich schrecklich fand. Manchmal fehlte es an Stille im Leben, Unruhe gab es im Übermaß.
Wolfgang drängte den Gedanken zur Seite. Es war nicht richtig, über den Tod seiner Frau nachzudenken und dabei angenehme Aspekte auszumachen. Das hatte Maren nicht verdient und das wurde ihr nicht gerecht. Er hatte ihr viel zu verdanken, das war ihm bewusst, sie hatte, trotz ihrer eigenen Unzufriedenheit und Wechselhaftigkeit, sein Leben in einen stabilen Zustand gebracht. Sie hatte immer dafür gesorgt, dass er nicht zu sehr in die eine Richtung kippte und nicht zu sehr in die andere. Sie war sein Maßstab gewesen für fast alles in seinem Leben. Wie konnte er da das Gefühl haben, sie zu verlieren wäre nicht schlimm. Aber so sehr sich Wolfgang auch anstrengte, die panikartige Angst und Sorge, die aus dem Magen hätte kommen müssen, blieb aus. Es war nur ein Gedanke. Ein ganz normaler Gedanke.